Der Immobilienmarkt in der Region Ehingen boomt – was auch an steigenden Mieten zu spüren ist. Was die Vertreter der Mieter dazu sagen.
Der Immobilienmarkt in der Region Ehingen, erlebt – trotz Pandemie – weiter einen Boom. Das hat auch Auswirkungen auf den Mietmarkt. Die Mieten kennen derzeit überall nur eine Richtung, und zwar nach oben, sagt Martin Rivoir. Der SPD-Landestagsabgeordnete ist Vorsitzender des Mietervereins Ulm/Neu-Ulm. Die Region Ehingen selbst bat keinen Mieterverein – die Interessen der Mieter werden von Vereinen aus Ulm, Biberach und Reutlingen wahrgenommen. Die genauen Zahlen aus dem Raum Ehingen lägen ihm zwar nicht vor, sagt Rivoir. Aber er gehe davon aus, dass es dort aussehe wie überall in der Region. Das Problem des knappen Angebots und der hohen Mieten betreffe mittlerweile nicht nur Menschen mit wenig Einkommen. Auch Facharbeiter tun sich schwer, bezahlbare, gute Wohnungen zu finden. „Die ganz normale Mittelschicht ist betroffen“, sagt Rivoir.
Es sei in der gesamten Region nicht leicht, Mietwohnungen zu finden, bestätigt auch Claudia Haller, Geschäftsführerin des Mietervereins Biberach. Gerade Familien tun sich schwer. Was zu nehme: Kündigungen wegen Eigenbedarf. Da gebe es schon merkwürdige Fälle. Es sei immer wieder die Frage, ob diese Kündigung gerechtfertigt seien. Ein weiterer Schwerpunkt: Beratung der Mieter bei Konflikten mit Immobilienkonzernen. Was das Problem des knappen Angebots verschärft: Öfters wollen Eigentümer mittlerweile gar nicht mehr vermieten: „Die sagen, das sei zu viel Aufwand und bringe zu viel Ärger“, berichtet Haller.
Online die Mieten vergleichen
Doch wie sehen die Mietpreise in der Region Ehingen nun konkret aus? Eine Abfrage bei den einschlägigen Immobilienportalen im Internet fördert für Ehingen und das Umland tatsächlich nur ein sehr begrenztes Angebot an Mietwohnungen zutage – mit einem Schwerpunkt auf dem luxuriösen Bereich. Für Wohnungen mit 100 Quadratmetern werden dann dort Kaltmieten von plus/minus 1000 Euro aufgerufen.
Sind die Preise gerechtfertigt? Seit Ende vergangenen Jahres gibt es eine Vergleichsmöglichkeit. Die Stadt Ehingen bat gemeinsam mit Öpfingen und Oberdischingen erstmals einen Mietspiegel vorgelegt, an dem auch der Mieterverein Biberach mitgearbeitet hat. Mieter, aber auch Vermieter haben damit eine Möglichkeit zu prüfen, ob eine Miete über oder unter dem Durchschnitt liegt. Mit einem Online-Mietenrechner können jetzt relativ bequem die Werte für die jeweilige Immobilie ermittelt werden (zu finden unter www.ehingen.de/mietspiegel).
Die Stadt Ehingen zeigt sich mit der Resonanz des Mietspiegels zufrieden. 1524 Aufrufe seien bislang verzeichnet worden, berichtet Bettina Gihr, Pressesprecherin der Stadt. Die. zuständige Sachbearbeiterin Manuela Ritscher werde zudem sehr oft wegen Fragen zum Mietspiegel kontaktiert. Wichtig sei der Mietspiegel zudem auch für die Arbeit des Gutachterausschusses, der den Wert von Immobilien ermittelt. „Der Mietspiegel gibt Rechtssicherheit, das ist wichtig“, begrüßt Mietervertreter Rivoir das Zahlenwerk. Allerdings: Mit einem Mietspiegel lassen sich nun zwar die Mieten besser vergleichen. Doch wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot, wie es in der Region Ehingen der Fall ist, werden auch höhere Preise aufgerufen und gezahlt als die, die im Mietspiegel stehen. Das ist – in Grenzen – auch zulässig. Noch immer gelte die Vertragsfreiheit beim Aushandeln des Mietvertrags, hatte schon Vermieter-Vertreter Ralf Gerdes von „Haus und Grund“ bei der Einführung des Ehinger Mietspiegels gesagt.
Die Sicht der Geringverdiener
Eine ganz andere Sicht auf den Mietspiegel und den Mietmarkt hat Magdalena Tewes vom Projekt „Türöffner“ der Caritas Ulm / Alb-Donau. Sie versucht, Vermieter davon zu überzeugen, Geringverdienern: Menschen in schwierigen Lebenssituationen und Geflüchteten bislang nicht genutzten Wohnraum anzubieten. Eine Wohnung für eine Familie in Ehingen und eine für eine alleinerziehende Mutter im Raum Munderkingen hat Tewes dieses Jahr schon vermittelt. Außerdem gibt es eine Kooperation mit der Jugendhilfeeinrichtung St. Konradihaus in Schelklingen, auf deren Gelände Wohnraum frei ist. Zwei Menschen können jetzt dort wohnen.
Tewes weist zwar die Vermieter auf den Mietspiegel hin – um zu zeigen, was sie mit ihren Wohnungen verdienen könnten. Für sie ist aber eine ganz, andere Tabelle relevant: Nämlich die Auflistung der Kosten für Unterkunft und Heizung des Jobcenters. Einem Menschen stehen demnach in Ehingen, Langenau und Erbach 45 Quadratmeter für höchstens 395 Euro Kaltmiete zu, in den restlichen Gemeinden des Alb-Donau-Kreises sind es 352 Euro. Je nach Personenzahl steigen die Quadratmeterzahlen und die dafür als angemessen betrachteten Kosten. Die Tabelle des Jobcenters sei der Maßstab für alle ihre Klienten, die eine Wohnung im Raum Ehingen suchen, sagt Tewes.
Nur – der Markt nennt eben andere Preise. 10 Euro pro Quadratmeter kalt in städtischen Gebieten sei der Durchschnitt im Alb-Donau-Kreis, so die Einschätzung von Tewes. Das ist mehr als die Menschen, die vom Jobcenter unterstützt werden, zahlen können.
Was geschehen muss
Was muss geschehen, um die Miete bezahlbarer zu machen und ein größeres Angebot zu bekommen? Martin Rivoir sieht das Land in der Verantwortung. Gerade in Kommunen wie Ehingen, die keine eigene Wohnbaugesellschaft haben, könnte eine Gesellschaft des Landes den dringend benötigten geförderten Mietwohnungsbau leisten. Bezahlbare Mietwohnungen kämen auch den Facharbeitern der ganz normalen Mittelschicht, zugute.
Tewes appelliert an die soziale Verantwortung von Vermietern. Sie sollen doch ihren leerstehenden Wohnraum zur Verfügung stellen – und das auch mal zu einem Preis unterhalb des Möglichen. Es sei doch nicht jeder auf die maximale Rendite angewiesen. „Leerstände sind einfach traurig, sagt Tewes. Wenn alle leerstehenden Wohnungen Im Alb-Donau-Kreis vermietet werden würden, gäbe es keine Wohnungsnot.